Freitag, 10. Februar 2012

Von Kochi ueber Mumbai nach Goa und weiter nach Hampi...

Statt 1,5 Tage wahlweise Bahn oder Bus habe ich das 900-km-Logistik-Problem mit SpiceJet schneller geloest. So gern ich Zug mit Indian Railways fahre, aber die Dinger sind meist lange im Vorraus ausgebucht und man kommt meist nur auf die Warteliste. Waehrend der eine Gewuerzbomber puenktlich abhob, zierte sich der zweite in Mumbai mich wieder gen Sueden zu transportieren. Das bedeutet drei Stunden Warten zwischen der indischen Mittelschicht, die pausenlos wichtig in ihre Handys bruellt und deren Kinder schreibloeckend an die Glasscheiben des Gates trommeln, wann immer ein Auto oder Flugzeug vorbei gefahren kommt. Ich mag Kinder, am liebsten natuerlich mein eigenes, aber bei diesen verzogenen Plagen hier zuckt mein Bein immer dann rhytmisch, wenn so ein laermender Kurzer vorbeischreilaeuft. Aber ich habe mich im Griff, stelle keinem der lieben Kleinen ein Bein.

Ich hielt bis vor kurzem immer GOA fuer eine Stadt. Tatsaechlich ist es der kleinste indischer Bundesstaat.Die Region war rund 450 Jahre lang portugiesische Kolonie mit allem was dazugehoert (Ausbeutung, Inquisition...) und weist daher eine besondere kulturelle Prägung auf. Kaum ein indischer Bundesstaat ist kulturell so nachhaltig von einer europäischen Kolonialmacht beeinflusst worden wie Goa. Dies zeigt auch der hohe katholische Bevölkerungsanteil. Und die vielen Kirchen, besonders die in Old Goa, der ehemaligen Hauptstadt von Goa. Heute heisst die Hauptstadt Panaji. Und genau hier lasse ich mich von einem halb illegalen Taxifahrer absetzen, finde aber absolut kein Zimmer. Erst nach dem 10. Anlauf, aber dann ist es gerade mal so hoch wie ich selbst, das Zimmer. Mein uebersichtliches Haupthaar streift staendig an der Zimmerdecke entlang, mein Skalp bleibt jedoch nicht an der derselben haengen.

Ich buche mir noch wahrend der Ankunft bei Paulo Travels einen Nachtbus nach Hampi. Heute (08.02.) ist er schon voll, aber morgen Nacht geht noch was. Panaji mutet sehr europaeisch an. Sicher ist der Verfall auch hier zuhause, aber die Stadt ist fuer eine indische Stadt verdammt sauber. Sogar die Abwasserkanaele scheinen nur fuer den Regen da zu sein, sind komplett clean. Wer also mit dem staendigen Schmutz und Dreck in indischen Staedten nicht klar kommt, der kann sich behutsam in Panaji dem Thema annaehern. ;)

Den einen Tag bekomme ich locker in Panaji herum, lasse mich in dem sehr ueberschaubaren Hauptstaedtchen treiben. Selbst der Verkehr scheint hier besser geregelt zu sein - es gibt Ampeln und sie werden sehr oft auch ernst genommen. Seit geraumer Zeit ist sogar fuer den Fahrer und Beifahrer Gurtpflicht angesagt, was den Fahrer kurz vor der Kontrolle immer aehnlich hektisch zum Anschnallen bringt, wie ich das von anderen Personen kenne. ;)) Ich haette ja gern eine Bootstour auf dem Mandovi gemacht. Nicht wegen den Missisippi-Casinoschiffen, sondern den Delphinen in der Meeresmuendung. Alles, was wie ein Ausflugsboot aussieht, startet aber erst abends. Da steige ich in den Nachtbus.

Geworben wird mit komfortablen VOLVO-Bussen, was da aber vorfaehrt, ist irgendwas Anderes. Innen gibt es wenig Sitzplaetze, dafuer wurde die normale Bushoehe mit einer zweiten Ebene unterteilt, in der es Zweierkojen gibt. Ich lande auf einem Sitz auf dem hinteren Radkasten, was schon nach einer Stunde sehr unbequem wird und ich habe insgesamt noch 12 h vor mir. Shit, ich haette gern eine Liegekoje gehabt, auch wenn ich nicht steuern kann, mit wem ich da kuscheln muesste. Aber das wurde nichts, alles ist ausgebucht, ein Upgrade-Ansuchen an das unfreundliche Personal von Paulo Travels wird daher abgelehnt. Kaum unterwegs gibt es einen handfesten Streit zwischen einer Britin (die die ganze Zeit ihre Koje 6 sucht) und einem ruepelhaften Busbegleiter (sieht aus wie Dominique Horwitz, nur duenkler). Er schreit sie an und sie fragt ihn schreiend, warum er sie denn so anschreit. Das kann ja eine richtig schoene indische Butterfahrt werden. Das Personal haelt ab und zu an, wenn es Lust drauf hat, dann wird das Licht angeschaltet und alles herausgetrieben. Im Bus sind ueberwiegend junge Globetrotter. Anfangs sind sogar noch alle Kojen leer, aber die restlichen Leute kommen nach einer Stunde Fahrt dazu, z.B. 4 korpulente franzoesische Frauen um die 55+, die ihre Kissen und Bettzeug auspacken und im Heck des SchlafSchuettelKreuzers verschwinden und dort scharchend bleiben. Neben mir bahnt sich das naechste lautstarke Drama an: In einer Koje fragt ein junger Israeli, ob der indische Horwitz ihm dabei helfen kann, das Fenster zu schliessen. Der explodiert foermlich! Er meint, der Israeli hat das Fenster mit roher Gewalt aufgemacht und er soll sein Gehirn benutzen es wieder zu zu machen. Beinahe kommt es zu einer Schlaegerei. "Horwitz" meint noch, das es immer Probleme mit den "Israeli People" gibt. Ich glaube es gibt hier nur ein Problem - den Busbegleiter, der hier staendig ausflippt!

Irgendwann ist Ruhe, der Bus ruettelt uns quer durch Indien, 350 km ins Landesinnere. Es ist Vollmond. Schoene Scherenschnittlandschaften ziehen an mir vorbei. Ich kann hier nicht schlafen, bekomme in dieser beknackten Sitzhaltung Knieschmerzen, was sonst nie der Fall ist. Ich nutze jede noch so kleine Rast und laufe soviele Runden um den Bus, wie die Pause hergibt. Einmal stolpere ich ueber eine nicht vorschriftsmaessige geparkte Kuh. Die muht kurz herum, was das soll und schlaeft weiter. Manchmal hupt der Fahrer kurz, laesst den Bus an und faehrt stueckchenweise vorwaerts. Soll bedeuten, die Leute sollen sich beeilen. 4 Anfahrtversuche und eilig in den Bus enternde Passagiere ist das normale Abfahrtprozedure. Wer ein Road Adventure wollte, der bekommt es hier! ;) Ich hatte dabei aber Anderes im Sinn - z.B. mit einer "Enfield Bullit" ueber die indischen Highways cruisen. Stattdessen bin ich mit "PAULO TRAVEL - The Holidaymakers" unterwegs. Also ich mit ein paar Australiern und Isrealis vor dem Bus bei einer Willkuerpause stehe, mache ich den Vorschlag, den Aufkleber an der Stelle "Holiday" mit "Trouble" zu ersetzen. Guter Plan, alle stimmen zu, aber der Bus hupt schon wieder und jetzt gilt es aufzuspringen.

Irgendwann gegen 7 Uhr erreichen wir in einem Stueck HAMPI. Die Gegend ist phaenomenal, berauschend, gefaellt mir auf Anhieb. Ich hatte nur ein Tempelbild im Lonely Planet gesehen, aber die Landschaft mit ihren gigantischen Felsbrocken, die Zyklopen zwischen die Palmen gekegelt zu scheinen haben, die ist einfach nur umwerfend. Und dann die Tempel dazwischen... Das hat so ein bisschen was von Angkor Wat. Ok, ich war doch nicht dort, aber ARTE und Lara Croft! ;) Ich glaube hier bekomme ich locker die 3 geplanten Tage herum, muss mich nur um die Rueckreise nach Goa rechtzeitig kuemmern. Das mache ich noch, waehrend ich auf mein vorab telefonisch reserviertes Zimmer warte. Aber auch hier komme ich nur max. auf die Warteliste fuer den Zug nach Goa am Montag frueh. Nochmal mit PAULO TRAVEL? Wenn ich eine Schlafkoje bekommen wuerde, waere das ja ok. Aber nachts bei solch einem Verkehr ohne Regeln und den unbeleuchteten Kuehen erneut zu reisen, das widerspricht sowieso meinen Reisegrundsaetzen und endet in Afrika meist mit toedlichen Unfaellen. Und hier fahren sie genauso regellos, nachts waren viele LKWs unterwegs, die fast alle im Akkord fahren, keine Pause machen koennen, duerfen.

Der Sohn der Herbergsmutter meiner heutigen Absteige "Padmas Guest House" hier in Hampi Bazaar kennt zwei Leute, die mit dem Auto am Montag zurueck nach Goa fahren wollen. Wenn ich Interesse habe, informiert er sie. 10 min spaeter sitzen sie am einzigen Tisch der Veranda. Dave und Susan, so 50+, kommen aus Australien. Wir sprechen die Abfahrt und den Preis durch. Von einem kleinen Tata Indica, der angeboten wird, rate ich ab. Da passen nur zwei Erwachsene mit Gepaeck rein, das habe ich mit Hellen zweimal gemacht. Ich schlage also vor, etwas Groesseres zu nehmen, auch wenn der Preis dann steigt. Fuer mich ist es dann immer noch preislich ok. Dave stimmt mir zu, das wir dann auch mehr Knautschzone haben. Er hat sogar heute Geburtstag und Susan sagt, sie habe ihm NICHT mit "Happy Birthday" sondern mit "Hampi Birthday" gratuliert. ;) Ok, meine Rueckreise waere geklaert und ich sehe dann sogar was von der Landschaft.

Nach 3 h Schlaf durchstreife ich Hampi, Ich nehme mir fuer heute den Virupaksha- und den Krishna-Tempel vor. Ersterer ist ein gut besuchter Pilgerort. Die ganze Gegend hier war im 16.Jahrhundert eine Großstadt, Hauptstadt eines bluehenden Hindu-Reiches, das dann muslimische Herrscher zerstoert haben. In der Gegend hier  gibt es noch eine Menge anderer Tempel, aber in der Hitze und bei den Muecken will ich es nicht am ersten Tag übertreiben.

Da kommen mir vier Mopedfahrer entgegen. Woran erkenne ich sofort, das das Russen sein muessen? An dem angepissten Gesichtsausdruck? Dem ruecksichtslosen Fahrstil? Ich hatte in Kochi schon einige gesehen. Normalerweise fliegen die in Goa ein und machen Party am Strand - so wie ueberall, wo es warm ist. Aber es haelt sich im bisher von mir besuchten Indien in Grenzen. Ich habe nichts gegen Russen, aber sie sollten sich endlich mal benehmen lernen. Das gilt auch fuer kampfsaufende Briten oder dummdreiste deutsche Pauschalis. Wenn man sich nicht benehmen, nicht auf andere kulturelle Gepflogenheiten Ruecksicht nehmen kann, dann soll man einfach mal die Fresse halten oder zuhause bleiben.

Ich setze mich jetzt noch an den traumhaften Fluss, der hier unterhalb der Ruinen vorbeiplaetschert...

Steffen

Lakshmi, Elefantendame des Tempels, Segnet die Pilger...

Irgendwo in den Temple Fields...

Yoda im Krishnatempel...

Krishnatempel...

Reisefeierabend

Virupaksha-Tempel


Fluss unterhalb Hampi Bazarr

Freiluftfrisoer

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