Montag, 20. Februar 2012

Planet Delhi

Als ich gestern auf dem Weg vom Flughafen spaet abends in Pahar Ganj, dem Backpacker- und Basar-Viertel einflog, waehnte ich mich in einem meiner Lieblingsfilme: BLADE RUNNER. Die Mischung aus heruntergekommenen alten Gebaeuden, Muellfeuern auf der Strasse, abenteuerlich ausschauenden  Strassenkuechen mit verwegenen Gestalten, reihenweise streunenden Hunden+Kuehen und Ziegen, einer Menge asiatischer Musiklaerm aus uebersteuernden Boxen, keinen Touristen und sehr intensiven Positiv/Negativ-Geruechen machte meine Assoziation komplett. Jeden Moment muesste Harrison Ford um die Ecke kommen, um zu checken, ob ich ein Replikant bin.

Stattdessen liefert der Prepaidtaxifahrer mich an der falschen Herberge ab. Und das, obwohl ich ihm eine genaue Beschreibung gab und unterstuetzend den Hotel-Walla per Telefon"konferenzschaltung". Ihm reichte das Wort LORD im Hotelnamen. Also checkte ich erst einmal im "Lord Krishna" statt im "Lord's Hotel" 400 m weiter ein. Natuerlich blieb das nicht ohne Folgen - der "Lord's Hotel" - Besitzer kam mit einem Gepaecktraeger mir entgegen, was ziemlich ok war. Schliesslich hatten wir in den letzten 2 Tagen schon 3x telefoniert. Budget-Hotels sind es beide, aber das "Krishna" ein paar Ticks herunter gekommener und man sah ihm deutlich die vorhergehenden Gaeste am Bettlaken an *wuerg*. Ich brauch ja eigentlich nur einen Ort, wo mein Rucksack stehen und ich ein wenig Schlaf tanken kann.

Dieser reine Reisetag gestern stand eh nicht so unter Yoda's Schutz. Der Flieger von GoAir (meinem 2. Billigflieger a la RyanAir hier in Indien) hatte satte 3 h Verspaetung ohne nennenswerte Durchsagen. Und dann habe ich den armen Yoda heute auch noch 2x im Gedraenge in Old Dehli und im unterirdischen Pakli Market verloren. Dankenswerterweise wurde er mir nachgetragen. Die Inder, die sind naemlich (meistens) nette Leute. ;) Nur eben gab es wieder einen Ausfall - beim Schreiben der oberen zwei Absaetze sollte ich ploetzlich meinen Reisepass zur Kopie fuer die Nutzung des Internets in einer der Leuchtreklamehotelabsteigen herausruecken. Habe ich nicht gemacht, also schreibe ich jetzt 500 m und zwei Gassen weiter weiter.

Der Main Bazaar war gestern gegen 23:30 Uhr, als ich auf der Suche nach was Trink- und Essbarem war, wie leergefegt. Die Basarstaende und Buden geschlossen, brennende Muellfeuer und knurrende und sich nicht verstehen wollende Strassenkoeter ueberall. Und ein einsamer Eisverkaeufer, dem ich um ein Exemplar meines  Lieblingsmangoeises erleichterte. Ab und an hingen ein paar Polizisten herum, spielten Karten oder diskutierten. Eine Strassenkoeterfamilie sitzt mitten auf der Strasse und Mutter Koeter zeigt den Kleinen, wie man die Floehe los wird. Da kommt eine Rikscha angeprescht. Alle fliehen, nur einer der Minikoeter macht weiter mit dem Flohmassaker und der Rikschafahrer eine Vollbremsung und ich einen Sprung zur Seite. Ein desillusionierter Backpacker mit wirren Blick stolpert vorbei, ein Bettler tut, was er tun muss. In einer dunklen Seitengasse hoere ich Schritte hinter mir, sehe aber niemanden. Es ist weit nach Mitternacht, aber ich suche noch nach interessanten Fotomotiven, die es bei Tage mit all dem Trubel so nicht geben wird. Ein Typ ueberholt mich, erzaehlt irgendwas vom Pferd auf Hindi, befuehlt meine Oberarmmuskeln. Ich sage ihm, das er seine Finger von mir lassen soll, sonst schneide ich sie ab. Versteht er nicht, aber verschwindet.

Der letzte Tag ging zu schnell vorbei. Durch Old Delhi sich treiben zu lassen, das war ganz nach meinem Geschmack. In 6 h und 30 min geht mein Flieger. Mal sehen wie ich mir die Zeit noch bis dahin vertreibe. Meine Lieblingsbeschaeftigung war heute Fahrradrikschas zu beschleunigen. Die gingen mir ein wenig auf die Nerven. Also habe ich sie immer kurzzeitig angeschoben und mir so das staendige Nachgefrage und Anbieten  von "Sightseeingtouren" vom Leib geschafft. Ja, sie muessen Geld verdienen, aber 3x NEIN sagen sollte doch reichen. Ausserdem sieht man meist nur den Ruecken des meist stehradelnden Fahrers und es ist fuer mich bloed, durch eine so spannende Gegend wie Old Dehli fremdgesteuert bewegt zu werden. Natuerlich musste ich mich noch um kleine Mitbringer fuer zuhause kuemmern. Irgendwann war ich das staendige Verfolgtwerden und teilweise aggressive Angequatsche der Haendler leid. Mein Lieblingsspruch, den ich heute staendig abgesondert habe: "My mother said to me: Don't talk with strangers!" In 50% aller Faelle kam das gut an. ;) Meine Bronchitis bin ich immer noch nicht los, Delhi traegt mit seiner Luft jedenfalls nicht zur genesung bei.

Nun, ich werde mich mal trollen hier, es wird wieder lautstark russisch hinter mir geskyped *nerv* und somit ist dies der letzte BlogEintrag in Indien. Ich denke das Land hat fuer mich Potential genug, nochmal vorbeizuschauen. Auf jeden Fall will ich dann in die Moloche Mumbai/Bombay und Colgata/Kalkutta eintauchen. Auch in Indien muss man unerwartete Abenteuer nicht suchen, sie finden Dich. Nur anders als in Afrika.

Steffen


 
 








1 Kommentar:

  1. lieber steffen,
    einfach mal nur danke, dass du diese wunderbaren berichte geschickt hast in den letzten wochen... irgendwie tut es einem fast auch leid, dass dein urlaub vorbei ist. und nein... die kommentarfunktion war immer aktiv, aber was sollte man kommentieren? geniessen scheint kommentarlos zu gehen:)))
    also...komm gut heim und fahr bald wieder))) grins.
    lge

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